Ein fünf Meter langes Rätsel: So fährt der VW Atlas
AUTO BILD-Chef Tom Drechsler ist den VW Atlas in den USA gefahren. Und rätselt: Warum bringt Volkswagen das große SUV eigentlich nicht zu uns?
Bild: Volkswagen AG
von
- Tom Drechsler
25. Januar 2023
Der
Amifährt groß, größer, am größten. Und so macht Volkswagen of
Americaheute 90 Prozent seines Umsatzes mit SUV: dem
Atlas, dem
Tiguan(den gibt es dort nur in der Langversion), dem Taos und zunehmend mit dem elektrischen ID.4 (20.511 Fahrzeuge 2022).
Die Autos sind üppig, der Umsatz allerdings nicht. Jedenfalls nicht so groß, wie es die Ansprüche des Autobauers sind. Insgesamt nur 301.000 Fahrzeuge setzte der Konzern 2022 in den Staaten ab, 32.000 weniger als
BMW, 300.000 weniger als zu Käfer- und Hippie-Bus-Zeiten vor 50 Jahren. Auch der
Jetta, von dem immer viel geredet wird als sicheres Vernunftauto für die junge College-Generation, taugt nicht mehr als Bestseller.
Platz gibt es reichlich im Atlas
Ich konnte ein paar Tage den Atlas (in China heißt er Teramont) testen. Den gibt es als Vierzylinder-TSI mit 238 PS ab 34.335 Dollar. Als SEL mit V6-Benziner, 3,6 Liter Hubraum, 280 PS und Allrad kostet er 47.745 Dollar. Dazu volle Hütte. Und mit Coupé-Heck als Atlas Cross Sport gibt es ihn auch noch, ab 34.460 Dollar in der R-Line.
Das große SUV hat enorm viel Platz: 5,05 Meter Länge (
Touareg: 4,88 Meter), fast exakt drei Meter Radstand, sieben Sitze in drei Reihen. Als Sechssitzer kommt er mit verstellbaren Captain's Chairs in Reihe zwei. Heißt: zwei verstellbare Einzelsitze mit Armlehnen. Gut: Auch die letzte Reihe ist geteilt umklappbar. Ein weit öffnendes Glasdach, achtstufige Automatik, vier Fahrmodi.
Bedienung ist schnörkellos und einfach
Jeder Schalter ist da, wo er hingehört, das Infotainment gehört zur beliebten – weil noch schnörkellos arbeitenden – früheren Generation. CarPlay oder Android geht kabellos, die Klimaautomatik bedient auch den Fond bis ganz nach hinten. Sicherheitsassistenten sind alle verbaut, ebenso ist WiFi im Auto freischaltbar.
Vollbesetzt gleitet der Atlas lässig durch den Verkehr – und das ist gut bei den Querfugen-Highways, bei denen man dankbar ist für das 55-Meilen-Tempolimit. Man sitzt angenehm hoch und fremdelt nicht mit den noch größeren SUV, die links und rechts an einem vorbeiziehen (55 fahren nur wir).
Dieses Auto trifft jedenfalls den Ton, die Größe und die Bedürfnisse der Amerikaner. Es ist, darauf legte der damalige VW-Chef Winterkorn Wert, für den US-Markt entwickelt. Klar bietet ein Touareg mehr Luxus, ist besser gedämmt und perfekter. Aber größer ist er nicht.
Innenraum-Materialien gehen völlig in Ordnung
Im Innenraum sind alle Kunststoffe und Verkleidungen im Anthrazit/Schwarz- oder Beige-Trimm gehalten. Ja, die Kunststoffe sehen eher robust als hochwertig aus. Aber soll das wirklich der Grund sein, warum der deutsche Markt so ein Auto nicht will? Ich bin alt genug, um zu wissen: Solche Materialien waren früher auch in unseren Autos verbaut. Es ist dennoch ein Dilemma.
Wir schrieben es neulich: Die, die beklagen, dass es solch ein SUV für solch einen Preis von
VWin Deutschland nicht gibt, sind die Ersten, die "Das ist ja Plastik!" rufen. Für mich geht das Material jedenfalls völlig in Ordnung. Man könnte es auch funktional und praktisch finden. Oder haben wir das Gefühl dafür verloren?
VW muss weiter die Masse bedienen
Beim Fahren dachte ich: Die von Ex-VW-Boss Herbert Diess unterstützte Idee, mit Scout eine US-Marke für den US-Markt zu bringen, ist vielleicht der beste Weg (Diess war es übrigens auch, der
Cupraals eigene Marke ermöglicht hat). Baut die Autos, die der Markt verlangt. Und bringt mehr ID.Buzz in die USA.
Ich wollte ja noch übers Geld reden. Autos sind in den USA traditionell bezahlbarer als bei uns. Und das muss ein Hersteller, der nicht BMW, Audi oder
Mercedesheißt, berücksichtigen. In die Sphären der hochpreisigen Autos wird VW nicht vorstoßen. Wer Mercedes fährt, bleibt bei Mercedes. VW muss woanders hin, in die breite Masse. Da, wo die Konkurrenz ungleich größer ist.
Steuern machen den Atlas hierzulande teuer
Und was ist mit uns? Ich habe mal nachgesehen. 67.000 Euro kostet der Atlas SEL, wenn ich ihn mit Händlerhilfe nach Deutschland rüberhole. Ein Auto, das wie gesagt drüben 47.745 Dollar kostet. Ist das Abzocke? Nein, es ist auch die Steuer. Zehn Prozent Einfuhr-, 19 Prozent Mehrwertsteuer …
Lohnt sich das? Ich meine ja. Der billigste Touareg kostet 68.895 Euro. Allerdings verbraucht der Atlas im Schnitt 11,9 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Das muss der Europäer einpreisen. Es ist kein Witz, als ich wieder ein paar Stunden in Deutschland war, fuhr ein Atlas an mir vorbei. Mit Berliner Nummer. Das kann doch kein Zufall sein …
Fazit
von
Tom Drechsler
Rätsel gelöst? Nein, ich weiß auch nicht die richtige Lösung. Ich weiß nur, dass so einen großen VW zu so einem Preis eben auch der deutsche Markt verdient hätte.
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